Von Turboladern und Drehzahlorgien: Audi RS4 gegen Abt AS4 R

Von Turboladern und Drehzahlorgien: Audi RS4 gegen Abt AS4 R
Mit dem 420 PS starken Audi RS4 setzt Ingolstadt vom Konzept her erstmals auf Drehzahl statt Ladedruck. Der Haustuner Abt sportsline aus Kempten hält mit den 480 PS des AS4 R dagegen. Ein Vergleich zweier grundverschiedener Konzepte.

Es gibt eine Spezies von Menschen, die sich Audianer nennt. Hier handelt es sich um eine Minderheit, die sich nur schwer identifizieren lässt, da sie äußerlich kaum auffällt. Erst unter dem Mikroskop finden sich nähere Hinweise auf ihren Charakter. Denn in ihrem Erbgut findet sich neben den üblichen vier Aminosäuren ein weiterer Baustein. Sein Name: RS: Ein sehr spezielles und seltenes Gen, das als Ursache für die Hingabe zu heftigst motorisierten Automobilen gilt. Das Verlangen danach stillt Audi seit 1994 durch ebenso bärenstarke wie dezente Kombinationskraftwagen mit Turbomotoren.

Doch die Zeiten ändern sich, Mutationen treiben die Evolution unaufhörlich voran. Bereits 2002 debütierte die erste Limousine in RS-Gestalt. Zweite und jüngste Evolution: Ab sofort sind Saugmotoren angesagt, der Turbolader gehört der Vergangenheit an. Zumindest wenn es nach dem Willen der Modellstrategen geht. Die RS-Population ist entsetzt. Kein brachialer Ladereinsatz mehr, kein Drehmoment-Gebirge und kein atemberaubender Abschuss? Nein, nicht mehr in dieser Form. Doch keine Bange, die Ingolstädter haben ein V8-Aggregat entwickelt, das selbst dem eingefleischtesten Turbo-Freak eine Gänsehaut beschert: 420 PS, die erstmals seit Einführung der RS-Modelle nicht mehr über den Ladedruck, sondern über die Drehzahl generiert werden. Und dazu eine zweite, offensichtliche Änderung: Den RS4 gibt es jetzt mit Stufenheck, als Kombi und auf Wunsch sogar ganz oben ohne: als Cabriolet. Audianer, was willst Du denn noch mehr? Doch die RS-Gemeinde beobachtet den Prinzipien-Wandel skeptisch. Aus gutem Grund, denn der Tuning-Gilde ist ein gewaltiger Vorteil abhanden gekommen. Bei keinem anderen Motorenkonzept lässt sich mit so übersichtlichem Aufwand ein derart großer Leistungszuwachs herauszaubern wie aus einem Turbo-Aggregat. Und nun also der Sauger. Wie soll es weitergehen? Und viel wichtiger: ist der Neue besser als der wohlbekannte Turbo-Tuninghammer?

Um zu klären, wer denn nun der wahre Herr im Haus der vier Ringe ist, entsandten wir einen Abt AS4 R und einen RS4 auf die Rennstrecke in Oschersleben. 2,7 gegen 4,2 Liter Hubraum, 480 Turbo- gegen 420 Sauger-PS, 180 gegen 101 PS Literleistung - solche Eckdaten erfordern eine geeignete Umgebung, um eine angemessene Bewertung überhaupt zuzulassen. Betrachten wir zunächst den RS4: Geweitete Radläufe, größere Lufteinlässe, zusätzliche Kühlöffnungen für die Bremsen und eine Abrisskante auf dem Kofferraumdeckel unterscheiden ihn von seinen schwächeren Kollegen. Keinerlei Effekthascherei, alles strikt zweckorientiert. Für den Innenraum gilt das leider nur eingeschränkt. Zwar wird man eine präzisere Verarbeitung und bessere Sitze lange suchen müssen. Aber das unten abgeflachte Lenkrad macht vielleicht für Allan McNish im Audi-Le-Mans-Rennwagen Sinn, im Straßenfahrzeug flutscht einem das silbrige Plastikelement unerwartet häufig durch die Hände. Punktabzug. Und dann der alberne Starterknopf in der Mittelkonsole. Was der soll, wird sich uns nie erschließen: Erst den Schlüssel ins Zündschloss - und dann zum Motorstart noch mal extra ein Knöpfchen zu drücken? Da gibt es bessere und zudem sinnvollere Lösungen.

Nach dem Startprozedere macht der RS4 allerdings Ernst, er verkneift sich albernes Verhalten. Denn sein V8 produziert einen Klang, bei dem sogar die Birkenstock-Fraktion heimlich mit dem Gedanken spielt, in einem unbeobachteten Moment am Lack zu lecken. Ein weiterer Tastendruck später - dieses Mal in der linken Lenkradspeiche - und der Achtzylinder atmet noch ein wenig dumpfer und spontaner durch. Während sich die Sitzschale automatisch verengt und dem Fahrer unmissverständlich klar macht: der RS4 ist eher Jäger denn Beute. Er zeigt es allen. Komme, wer da wolle.

Einer lässt sich nicht lange bitten und steht schon parat: der Abt AS4 R. Seine Anlagen sind vorzüglich, um die Herausforderung anzunehmen. Und er ist sich auch nicht zu schade, seine direkte Umwelt mit Mode-Attributen der 80er Jahre zu becircen. Jener Ära, in der Autos noch breite Streifen zur Betonung ihrer sportlichen Potenz trugen. Die rötlich schimmernde Spiegelfolie wirbt um die Gunst der Betrachter wie der Pfau mit seinem Gefieder. Allerdings folgen dem farbenfrohen Auftritt handfeste und vor allem clevere Argumente. Clever insofern, als Abt bei der Herzverpflanzung auf eine jahrelange Erfahrung mit dem Verfeinern von V6-Turbomotoren zurückgreifen kann, was sich ergo auch in der Fahrbarkeit des Gesamtkonzeptes deutlich zeigt. Fahrwerkabstimmung, Bereifung, Motorcharakteristik, Klang - bei diesem Auto passt fast alles. Nur in Sachen Verbrauch fordern die Turbos naturgemäß nachhaltig ihren Tribut: Anderthalb Liter mehr auf hundert zurückgelegte Kilometer lassen sich nur bedingt durch die 60 Mehr-PS rechtfertigen. Doch spätestens auf der Rennstrecke offenbart sich, wie gut die Allgäuer ansonsten ihre Hausaufgaben gemacht haben. Nicht völlig neutral, aber doch deutlich weniger untersteuernd als der RS4 nimmt der Kemptener Kombi seinem Gegner satte 1,3 Sekunden pro Runde ab. In Anbetracht des konzeptionellen Alters des Vorgänger-RS4 eine Welt.

Fairerweise muss erwähnt werden, dass der Abt auf Michelin-Pilot-Sport-Cup-Reifen rollt. Allein diese sorgen für einen Vorteil von etwa sieben Zehnteln pro Runde im Vergleich zur RS4-Bereifung. Gemessen daran, schlägt sich der RS4 also noch sehr gut. Erstaunlich jedoch ist, dass der aktuelle RS4 subjektiv deutlich langsamer wirkt, als es ihm die Stoppuhr bescheinigt. Der Grund dafür ist sein deftiges Untersteuern trotz der hecklastigen Antriebsverteilung von 40 zu 60 Prozent zugunsten der hinteren Achse. Erst bei völlig deaktiviertem Stabilitätsprogramm kommt an Bord erfrischende, wen auch kaum effizientes Leben um die Hochachse ins Spiel. Eine Entscheidung ist schnell gefunden: Programm weiter an, die Querfahrerei ist nur für die Galerie.

So bleibt es also bei der Zeitenjagd beim Umstand, dass sich der RS4, fordert ihn nur ein bisschen zu forsch beim Einlenken, um die Hochachse eindreht. Das Werk legt offensichtlich mehr Wert auf narrensicheres Fahrverhalten als auf das letzte Quäntchen Kurvengeschwindigkeit. Daraus lernen wir: Wer den RS4 zügig bewegen will, braucht viel Disziplin. Und wer es schafft, das Auto knapp unterhalb des Regelbereichs zu bewegen, kommt extrem zügig voran. Denn bis zum ESP-Eingriff gibt sich der RS4 extrem souverän, beinahe unspektakulär. Zugegeben: Das ist Meckern auf höchstem Niveau. Beide Autos verfügen über ein Begeisterungspotential, dem man sich nicht entziehen kann. Ob man den dumpfen, druckvollen Sound des Abt-Aggregats dem Schmettern der acht RS4-Zylinder vorzieht, ist Geschmackssache.

Abgesehen davon fällt die Entscheidung erstaunlich klar aus - der serienmäßige RS4 darf sich als Sieger dieses Vergleichs fühlen. Dabei ist es nicht so, dass der Abt AS4 R schlechter wäre, im Gegenteil. Selten haben wir ein so rundum gelungenes Tuningfahrzeug getestet. Doch angesichts eines Aufpreises von rund 20.000 Euro zum Audi RS4 hätte der Vorsprung jedoch deutlicher ausfallen müssen.

Fazit: Die Vorstellung des Abt AS4 R ist eindrucksvoll, da er für ein derartig modifiziertes Fahrzeug erstaunliche Qualitäten im Alltagsbetrieb beweist. In punkto Abstimmung, Klang und Charakteristik deklassiert er regelrecht andere Tunerversuche ähnlicher Bauart. Dennoch fährt er dem Serien-RS4, gemessen am finanziellen Aufwand, nicht deutlich genug davon. Deshalb reicht es nicht zum Sieg in diesem Vergleichstest. Mit anderen Worten: Abt macht ordentlich Druck, doch Drehzahl ist Trumpf

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